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Experten Q&A: Kühlketten- und Vertriebszentren während COVID-19

Am Dienstag, 19. Mai, fand ein Live-Webinar zum Thema «Ausnahmezustand in pharmazeutischen Lieferketten und Vertriebszentren während COVID-19» statt, bei dem mögliche Fälle in der Pharma-Lieferkette und in den Verteilungszentren während der CV-19-Pandemie diskutiert wurden. Lesen Sie in diesem Artikel mehr über die F&A-Diskussion, die mit namhaften QS-Vertriebsexperten aus der Branche geführt wurde.

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Patrick Girten, Manager, Quality Distribution US/PR, Bristol Myers Squibb | Michael Hollweck, Senior Manager QA Logistics Americas, Celgene

Behandelte Themen:

    • Präventive Abläufe der Verteilerzentren während COVID-19

    • Schaffung von Redundanz in der Distribution zusammen mit sekundären Standorten und Logistikanbietern

    • Genehmigung von neuen Ausweich-Routen

    • Virtuelle Audits – ist das in Zukunft eine umsetzbare Praxis für pharmazeutische QS-Lieferketten?

(Die während des Webinars und im folgenden Artikel geäusserten Meinungen sind ausschliesslich die des/der Vortragenden und nicht notwendigerweise die der Bristol-Myers Squibb Company. Bristol-Myers Squibb Company übernimmt keine Garantie für die Genauigkeit oder Zuverlässigkeit der bereitgestellten Informationen. Die Informationen sind in Form von Zusammenfassungen der Fragen und Antworten aufbereitet und erheben keinen Anspruch auf Genauigkeit oder Vollständigkeit. Diese sollten weder als Ratschlag noch als Empfehlung angesehen werden. Bevor Sie aufgrund dieser Informationen handeln, sollten Sie die Angemessenheit der Informationen prüfen und unabhängigen Rat einholen).

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Bild 1.1: Teilnehmerbefragung

Moderator: Lieferketten in allen Industriezweigen auf der ganzen Welt sind unterbrochen und ins Stocken geraten. Pharmazeutische Lieferketten stehen vor den gleichen Herausforderungen – mit einem grossen Unterschied: dem Patienten. Während viele Pharmaunternehmen damit beschäftigt sind, Kits bereitzustellen sowie Behandlungen und Impfstoffe für COVID-19 zu finden, gibt es immer noch Patienten mit lebensbedrohlichen oder chronischen Krankheiten, die ihre Medikamente benötigen.

Dieses Webinar hat mit einer Gruppe von QS- und Logistikexperten über ihre Erfahrungen während COVID-19 bei der Umleitung, Neuplanung ihrer Verteilerzentrumsbetriebe und Lieferketten diskutiert. Es wurden Notfallpläne besprochen, aktuelle Auswirkungen durchleuchtet und wie sie die Zukunft nach COVID-19 sehen.

Frage des Moderators: Welche Vorsichtsmassnahmen treffen Ihre Verteilerzentren?

Patrick Girten: Wir tun all das, was man auch in den Nachrichten hört und im Allgemeinen empfohlen wird: Masken, Handschuhe, Social-Distancing, Schichtbetrieb. Das alleine führt schon zu Herausforderungen, die wir so vorher nicht kannten, da wir die Arbeitskräfte verteilen müssen und einfach nicht mehr so effizient sind. Wir mussten auch ein Desinfektionsmittel-Protokoll einführen und genehmigen lassen. Ausserdem mussten unsere Umweltgesundheits- und Sicherheitsvorschriften überprüft werden. Und auch weltweit zugelassene Chemikalien durchliefen einem neuen Freigabeprozess – nicht nur die, die es in den USA gibt. Erinnern Sie sich an den Rückruf von Johnson & Johnson, bei dem Produkte aufgrund Beschwerden über einen «seltsamen Geruch» aus den Regalen genommen wurden – wahrscheinlich verursacht durch eine Chemikalie namens 2,4,6-Tribromoanisol (TBA). Diese Chemikalie wird eingesetzt bei der Behandlung von Holz-Paletten, die wiederum Verpackungsmaterial lagern und Verbrauchsprodukte transportieren. Eigentlich wird empfohlen, keine Bleichmittel bei der Behandlung von Holz-Paletten einzusetzen. Aber in der Praxis wissen wir, dass es trotzdem gängig ist und angewendet wird. Wir mussten uns also nach anderen Möglichkeiten umsehen. Somit haben wir schon vor COVID-19 begonnen, die neuen Richtlinien umzusetzen.

Mike Hollweck: Celgene arbeitet im Logistikbereich sehr stark mit Drittanbietern. Die Hauptverantwortung liegt bei ihnen. Aber natürlich ist es als Partner auch in unserem Interesse zu wissen, wo sie was tun. Welche persönlichen Schutzausrüstungen verwenden Sie? Gibt es eine staatliche Vorschrift die besagt, dass alle LKW-Fahrer Masken tragen müssen? Wenn ja, muss darauf geachtet werden, dass die Fahrer also irgendeine Art Gesichtsmaske tragen, wenn sie hineinfahren und die Anhänger entladen/beladen. Und wie kontrollieren Sie all das (eines der grossen Probleme, das wir im US-Bundesstaat Pennsylvania hatten)? Was, wenn ein LKW-Fahrer keine Maske trägt. Wie gehen wir damit um? Wie handeln wir in solchen Situationen das Be- und Entladen? Sie werden kaum eine andere Person mit Maske schicken, um mit dem Be-/Entladen zu beginnen, während der eigentliche Fahrer losfährt, eine Gesichtsmaske zu besorgen. Vielmehr geht es darum, sicherzustellen, dass es beidseitig verstanden wurde. Es ist nicht die gleiche Situation wie von Patrick Girten geschildert, wie man mit den eigenen Prozessen im Betrieb umgeht. Nebst dem wir klären mussten, wie wir mit unseren Produkten umgehen, mussten wir auch gleichzeitig die lokalen und staatlichen Gesetze im Blick haben, die sich auf unser Geschäft auswirken könnten und versuchen, diese mit unseren Partnern zu identifizieren.

Wie stellen wir sicher, dass das Produkt fliesst? Und wie gewährleisten wir, dass die Lieferkette intakt bleibt, während dem wir offensichtlich damit beschäftigt sind, dass unsere Mitarbeiter/-innen und die Mitarbeiter/-innen der Drittanbieter stets sicher sind? Wir haben gerade kürzlich ein gutes Gespräch mit einem unserer Drittanbietern geführt, bei dem es um ein Verteilerzentrum ging. Thema war was passieren würde, wenn man einen LKW-Fahrer mit erhöhter Temperatur vor Ort hat. Das Verteilerzentrum sagte klar: «Wir lassen ihn nicht rein». Wie bekommt man in einer solchen Situation die Lieferung schnell abgeladen?

Es gibt «DoT»-Regeln für das Absetzen der Ladung und das Anschliessen eines weiteren Schleppers, das Handling durch einen anderen Fahrer oder einer anderen Firma, die die Ware anliefert. Wie macht man das, wenn ein LKW mit einem Produkt beladen an der Abladerampe steht? Das hat uns veranlasst, diese Pläne schrittweise zu überdenken. Auf dem Papier klingt es so einfach, aber die tatsächliche Umsetzung ist komplexer und eine Absprache mit den Unternehmen, mit denen man zu tun hat, dementsprechend wichtig. Erklären Sie ihnen, wie ihr Plan aussieht und seien Sie offen für die nötige Kommunikation.

Frage des Moderators: Denken Sie es könnte nötig werden, ein Verteilerzentrum unter bestimmten Umständen komplett stillzulegen?

Patrick Girten: Absolut! Wir haben mehrere Verteilerzentren, die auf Business-Continuity ausgelegt sind und ein solches Szenario abfangen würden.

«Gute Business-Continuity-Pläne gehen alle Möglichkeiten durch, durchlöchern die «Was-wäre-wenn»-Szenarien und versuchen, vorhandene Pläne zum Scheitern zu bringen.» Patrick Girten, BMS

Mike Hollweck: Ja, diese Möglichkeit besteht durchaus. Vor allem, da der Grossteil unseres Vertriebs über Dritte erfolgt. Das Risiko eines Ausbruchs des COVID-Virus in einem der Verteilerzentren, in dem nicht unser Management die Entscheidungen trifft, besteht natürlich. Oder es könnte ein(e) örtliche(r) Gesundheitsinspektor/-in oder eine Bezirksverordnung sein, die eine Schliessung aufgrund spezifischer gesetzlicher Anforderungen erzwingen oder weil sie das Risiko für zu hoch einstufen. Aus diesem Grund prüfen wir unsere Business-Continuity-Pläne regelmässig und führen diese auch mindestens alle sechs Monate durch. Sollte eines unserer Verteilerzentren aus einem bestimmten Grund geschlossen werden müssen, z.B. wegen eines COVID-Ausbruchs, wären wir durchaus in der Lage, die geschäftlichen Anforderungen mit Hilfe unserer beiden anderen Standorten zu erfüllen. Kann es also komplett stillgelegt werden? Ehrlich gesagt, in der aktuellen Situation mit COVID muss man mit allem rechnen und vom Schlimmsten ausgehen. So kann ich mir ein Worst-Case-Szenario mit kompletter Stilllegung eines Verteilerzentrums absolut vorstellen – und genau da kommt der Business-Continuity-Plan ins Spiel.

Frage des Moderators: Führen Sie für diese «Was-wäre-wenn»-Szenarien Übungen durch?

Patrick Girten: Ja, wir führen routinemässig Übungen zur Business-Continuity durch. Aber ich denke, man sollte sich nicht auf das «Was» sondern mehr auf das «Wie» konzentrieren. Business-Continuity-Pläne definieren also nicht, was passiert, wenn eine Pandemie oder ähnliches ausbricht. Vielmehr geht es um die Frage, was wir tun, wenn ein Ereignis XY eintrifft. Es ist essenziell in einem solchen Fall die richtigen Leute vor Ort zu haben und richtig zu kommunizieren. Wo sind die Abläufe für Ihren BCP dokumentiert? Auf einem Firmencomputer oder einer Firmenwebseite? Was passiert, wenn alle aus dem Gebäude rennen, weil es brennt und Sie Ihre Computer dort stehen lassen? Nun, okay, wir haben ein Hinweis-Schild im Eingangsbereich angebracht. Das ist super. Aber was passiert, wenn jemand bei Ihnen zu Hause anruft, um Ihre Angehörigen über den Vorfall zu informieren? Also gehen gute Business-Continuity-Pläne alle Möglichkeiten durch, durchlöchern die «Was-wäre-wenn»-Szenarien und versuchen, vorhandene Pläne zum Scheitern zu bringen.

Mike Hollweck: Ich denke, das ist Teil der Herausforderung, die wir durch COVID entdeckt haben. Während Sie die Business-Continuity-Pläne durchführen, identifizieren Sie vielleicht keinen bestimmten Grund für die Schliessung des Verteilerzentrums... alles mögliche könnte zur Schliessung eines Verteilerzentrums führen; ein Feuer, ein Tornado, ein Tsunami. Aber das ist nicht das, was Sie identifizieren; die Diskussion dreht sich vielmehr darum, dass das Produkt nicht vorhanden ist, weil das Verteilerzentrum nicht zur Verfügung steht. Wie kann das nun abgefangen werden? Wie lasse ich es durch den Rest meiner Lieferkette über mein anderes Vertriebsnetz fliessen, wie handhabe ich das?

Die «Was-wäre-wenn»-Szenarien sind Teil der Fragen, die bei der Business-Continuity-Planung für diese Art von Unternehmen gestellt werden. Wie vorhin von Herr Girten erwähnt: «Was ist, wenn ein LKW-Fahrer mit erhöhter Temperatur die Ware anliefert, wie gehen wir damit um? Ich denke, in einigen Fällen ist es wirklich sinnvoll ein zusätzliches Team vor Ort zu haben, die für andere vorausdenken und solche möglichen Szenarien skizzieren. Sie können dabei helfen, zu erkennen, ob es bei einer Korrekturmassnahme ein Problem gibt. Als nächstes sollte man sich fragen, was die Ursache für dieses Problem ist oder was es für uns als Unternehmen bedeutet, wenn dies wirklich eintrifft. Was sind potentielle Probleme? Es empfiehlt sich, eine Analyse der Auswirkungen des Ausfallmodus durchzuführen und zu versuchen herauszufinden, was geschehen würde, wenn dies fehlschlägt.

Sie rennen herum und versuchen, ein Produkt auszuliefern, während Sie diese «Was-wäre-wenn»-Szenarien durchspielen. Aber wie Patrick Girten sagte, ist es wichtig, sich schon im Voraus etwas einfallen zu lassen. Überlegen Sie sich proaktiv, was Sie tun könnten, wenn ein LKW-Fahrer mit erhöhter Temperatur auftaucht, anstatt abzuwarten und dann zu reagieren, wenn dieser Fall wirklich eintrifft und er plötzlich dasteht. Denn dann könnte es schon zu spät sein.

Frage des Moderators: Welche Lieferketten wurden Ihrer Meinung nach am härtesten von COVID getroffen?

Patrick Girten: Für uns bei BMS sind es die Prozesse, die bereits seit vielen Jahren problemlos funktionieren und einfach nebenherlaufen. Zum Beispiel das Proben-Management. An diesem Prozess gab es nicht viele Änderungen, aber bei COVID, wo das persönliche Gespräch fehlte, brach der gesamte Prozess zusammen. Dann muss man sich eine neue Methode ausdenken, um das zu bewältigen.

Mike Hollweck: Auch bei unseren Verkaufsproben standen wir vor Herausforderungen. In unserem Business-Continuity-Plan übersahen wir die Tatsache, dass wir nur einen einzigen Lieferanten hatten. Wir hätten uns fragen sollen, ob wir es mit einem Zustand zu tun haben, in dem ein potenzieller Lockdown vorliegt und es zur möglichen Schliessung eines Standorts kommen könnte. Plötzlich standen wir vor dem Problem, dass wir nicht in der Lage waren, professionelle Proben herauszuholen. Somit mussten wir klären, ob es eine Möglichkeit gibt, schnell einen anderen Standort für denselben Anbieter in Delaware zu finden, der all unsere Bedürfnisse befriedigt. Viele Dinge wie diese Situation haben sich über Nacht dramatisch verändert.

BMS und Celgene haben die nächsten Schritte für eine Lieferkette mit einer einzigen Bezugsquelle für Verkaufsproben festgelegt.

Direkter Versand an den Praktiker/Anwender

    • «Direct-to-Patient (DTP)» war bereits etabliert, wurde aber selten genutzt

    • Die Nutzung wurde erheblich ausgeweitet, um sicherzustellen, dass Proben zur Verfügung stehen

Business-Continuity

    • Die Notwendigkeit, einen zweiten Standort einzurichten

    • Derselbe Anbieter, den wir nutzen, hat einen Standort in Delaware

    • Ermittlung, welche Schritte notwendig sind, um den Delaware-Standort als zugelassenen Lieferanten festzulegen

    • Bestimmung für ein virtuelles Audit des Standorts

 

«Es war einfach erstaunlich zu sehen, wie schnell die Dinge scheiterten, die man so nicht erwartet hatte».

Mike Hollweck: Es war einfach erstaunlich zu sehen, wie schnell die Dinge scheiterten, die man so nicht erwartet hatte. Beispielsweise werden ziemlich viele unserer Produkte von der EU hier in die USA verschifft. Die Produktionsstätten befinden sich in der EU und wir liefern einen Grossteil unserer Produkte über JFK oder Newark (USA) weiter. Plötzlich wurde der Flug gestrichen oder es gab nur noch einen Flug pro Tag. Verschiedenste Unternehmen versuchten dann, ihre Produkte mit diesem einen Flug zu versenden. Dann kam noch die Tatsache hinzu, dass einige der am schlimmsten betroffenen Orte auf der ganzen Welt die Staaten New Jersey und New York waren, wo die Sterblichkeitsrate ähnlich hoch war wie in Italien. Die Gouverneure dieser beiden Bundesstaaten begannen also, einige sehr strenge Vorschriften zu erlassen und sicherzustellen, dass die Menschen zur Arbeit gingen oder sich sogar zu Hause einschlossen – wie Sie wissen, ist «Schutz vor Ort» ziemlich angesagt.

Wie schafft man etwas, das vor sechs Monaten noch nicht einmal realistisch erschien? Wenn ich davor jemandem gesagt hätte, dass wir keine Luftfracht nach Newark oder JFK bekommen würden, hätten mich die Leute seltsam angeschaut. Aber schnell wurde uns klar, dass wir uns wirklich die Frage stellen mussten, was die Alternativrouten sind. Gibt es eine Möglichkeit, durch Dulles zu fliegen? Gibt es eine andere Fluggesellschaft?

Eine andere grossartige Lösung der Fluggesellschaften war: Wenn wir keine Personen befördern können, transportieren wir eben Güter. Also wurden Sitzplätze in den Passagierflugzeugen herausgenommen, um mehr Kapazität für Güterlieferungen zu schaffen. Für die Fluggesellschaften änderte sich das Geschäft dort, wo sie Waren anstelle von Personen transportierten.

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Bild 1.2: Teilnehmerumfrage

Frage des Moderators: Welche Aktivitäten wurden für temperaturempfindliche Produkte eingeführt? Aus Qualitätssicht: woher wussten Sie, dass diese in Ordnung waren?

Patrick Girten: Zu Beginn von COVID, als wir eine Notfall-Änderungskontrolle (eng.: Emergency Change Control) einführten, haben wir «COVID» im Titel ergänzt. Dadurch konnten wir es später leichter identifizieren und auch für die künftige Krisenplanung berücksichtigen. Ausserdem ist es dank dieser einfachen Ergänzung möglich, rückblickend zu analysieren, was wir alles unternommen haben. Denn es gibt viele unterschiedliche Standorte, die viele verschiedene Dinge tun, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Wenn sie also alle «COVID» in den Titel schreiben, kann dann in unserem System für spätere Rückblicke ganz einfach nach diesem Schlüsselwort gesucht werden ohne lange, mühsame Recherche.

Mike Hollweck: Dazu gibt es verschiedene Dinge zu sagen. Erstens haben wir für alle unsere Transportwege eine Risikobewertung durchgeführt, die genau dokumentiert, wie das tatsächliche Risiko für dieses Produkt auf diesem Weg zu bestimmen ist.

Bei Celgene umfasst unsere Risikobewertung Folgendes:

1-9 Schweregrad-Skala

    • 5 verschiedene Risikokriterien

    • Durchschnittliche Höchsttemperatur

    • Durchschnittliche Mindesttemperatur

    • Dauer der Route

    • Produkt-Risiko-Kategorie

    • Komplexität der Route (Multimodal oder Multi-Stop)

Jedes Risikokriterium hat eine andere Gewichtung. Der gewichtete Endwert ist der finale Risikowert.

Beispielsweise wird eine Sendung von Phoenix, Arizona (USA) (einer Wüste) nach Toronto in Kanada geliefert (bekannterweise ein sehr kalter Ort). Die durchschnittliche Höchsttemperatur wird also für Toronto anders sein, als für Phoenix. Das erste Kriterium ist das durchschnittliche Maximum, dann folgt das Kriterium für die durchschnittliche Mindesttemperatur. Wir betrachten also das Maximum und das Minimum der verschiedenen «Jahreszeiten» während der Liefer-Route. Wie lange verweilen die Produkte in den jeweiligen Temperaturen? Wie lang dauert die Route insgesamt?

Betrachten wir die Dauer, beträgt ein Versand von meinem Standort hier in New Jersey zu unserem Standort in Pennsylvania vielleicht zwei oder drei Stunden. Aber wenn ich von meinem Standort in New Jersey nach Australien liefere, dauert es natürlich viel länger. Die Flugzeit ist höher. Sie haben eine viel längere Route. Aber wie lange ist die Route tatsächlich?

Was ist die Produkt-Risiko-Kategorie? Verschiedene Produkte haben unterschiedliche Stabilitäten; sie können einem höheren Risiko ausgesetzt sein, wenn es eine Temperaturabweichung gibt. Wenn es sich zum Beispiel um ein Produkt handelt, das bei +2 °C bis +8 °C gelagert und geliefert werden muss, könnte es in einer höheren Risikokategorie liegen als eine Tablette, die wir herstellen.

Der letzte Teil ist die Komplexität der Route. Bei der Risikokalkulation wird es einen grossen Unterschied machen, ob es sich um eine zweistündige LKW-Fahrt von NJ nach PA handelt oder um eine multimodale Fahrt nach Australien.

Wenn es also eine Änderung gibt, wie bei COVID, und die Produkte nicht nach Newark, sondern nach Dulles Washington DC geliefert werden würden, was ändert sich dann an der richtigen Bewertung unter Berücksichtigung der 5 neuen Kriterien? In einer Krisensituation wird auch eine allfällig neue Risikobewertung sehr schnell durchgeführt.

Was passiert, wenn ein neuer Lieferant noch nicht auf der Liste der zugelassenen Lieferanten steht? Wie schnell werden Ihre QS-Protokolle es erlauben, sie zu überprüfen und auf der Liste zu ergänzen? Normalerweise dauert es etwa 3 Monate. Aber in einer Krisensituation haben wir diese Zeit nicht. Wir müssen also herausfinden, wie wir das auf schnellerem Wege und unter Wahrung unserer Integrität, gemäss dem Verfahren und den von uns definierten Prozessen, durchführen können.

All dies wurde sehr durch COVID beeinflusst. Wir haben unsere Prozesse kritisch hinterfragt um festzustellen, weshalb gewisse Abläufe normalerweise einen langwierigen Prozess erfordern. Dabei haben wir uns Fragen gestellt, wie: Warum dauert es so lange? Wie können wir diesen Zeitrahmen verkürzen? Liegt es daran, dass jemand nur behauptete, dass es Wochen dauert, eine Abweichung zu überprüfen, oder dauert es tatsächlich so lange?

Patrick Girten: Für BMS war es wichtig, regelmässig abteilungsübergreifende Gespräche zu führen. Plötzlich sahen wir uns mit neuen Dingen konfrontiert, wie z.B. das Produkt AUS dem Land zu bekommen. Deshalb war es notwendig, dass auch das Zoll an diesen Anrufen teilgenommen hat. Wir haben uns darauf konzentriert, ein Problem nach dem anderen zu lösen – alle zusammen als globales Team.

COVID-Lektionen zur internen Kommunikation:

Als uns klar wurde, dass sich die heikle Situation auch auf die Lieferungen an Patienten und Kunden auswirken könnten, haben wir tägliche Anrufe initialisiert:

    • Alle betroffenen Gruppen (Vertrieb, Finanzen, Transport, QS)

    • In allen Regionen weltweit

    • Aufrichtige und ehrliche Diskussion – Bitten um Hilfe, Hinweise auf den aktuellen Stand der Dinge, potenzielle Probleme

    • Sitzungsprotokolle mit spezifischen handlungsrelevanten Punkten

    • Tägliche Anrufe wurden später auf wöchentliche Anrufe reduziert

Mike Hollweck: Auch wir haben täglich um 8:00 Uhr Telefonkonferenzen durchgeführt, an denen jede einzelne Organisation weltweit teilgenommen hat. Dabei hatte jede Gruppe die Möglichkeit, sich auszutauschen und mitzuteilen, wie es läuft und wo sie welche Unterstützung benötigen. Welche Herausforderungen sehen Sie? Was läuft gut, was läuft schlecht? Wir schufen eine globale Gemeinschaft und ein globales Wissensnetzwerk, teilten unsere Expertise und wenn möglich auch unsere Ressourcen innerhalb dieses Vertriebsnetzes. Die Gespräche beinhalteten auch Finanz-Themen um sicherzustellen, dass die Sendungen reibungslos durchgeführt werden konnten.

Zum Beispiel sagte jemand: «Ich habe eine Sendung, die noch nicht geliefert wurde, und es wird eine echte Herausforderung sein, diese bis Freitag nach Australien zu bekommen.»

Wir haben schnell gelernt, dass die tägliche globale Zusammenarbeit und Kommunikation mit allen Abteilungen und Organisationen weltweit zwingend erforderlich ist; einschliesslich der richtigen Führung, die einen reibungslosen Kommunikationsfluss gewährleistete und Entscheidungsfindungen beschleunigte.

Wir starteten mit mehreren Anrufen; einer für den Transport, einer für die Logistik. Aber am Ende haben wir erkannt, dass es wohl besser wäre, alle zusammen in nur einem Gespräch zu verbinden. Wir haben es also ausprobiert und geschaut, ob das besser funktioniert.

Frage des Moderators: Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit virtuellen Audits gemacht?

Patrick Girten: Während COVID mussten wir ziemlich schnell alternative Abläufe auf die Beine stellen; die Lösung war überall virtuell. In diesem Fall bedeutet «virtuell» nur Fragebögen und Telefonanrufe. Keine Live-Videos wie dieses Webinar.

Normalerweise waren wir einen ganzen Tag lang vor Ort, um ein Audit durchzuführen. Können Sie sich vorstellen, das einen ganzen Tag lang per Live-Video zu machen? Einige unserer GMP-Audits können 3, 4 oder sogar 5 Tage dauern. Es ist definitiv ein interessantes Thema, wie das in Zukunft durchgeführt werden soll. Wenn man mit den Personen gemeinsam in einem Audit-Raum sitzt, bekommt man ein Gefühl dafür, wie die Dinge laufen. Es herrscht eine gewisse Stimmung im Raum und es gibt eine persönliche Interaktion.

Virtuelle Audits werden möglicherweise bei der jüngeren Generation grösseren Anklang finden. Meine Kinder sind es gewohnt, 30 oder 40 Personen gleichzeitig zuzuhören während dem sie mit der Xbox spielen – das ist kein Problem für sie. Ich vermute, dass wir in Zukunft nicht mehr so viel an Audits reisen werden. Aber das wird sich jetzt mehr und mehr zeigen. Dennoch bin ich der Meinung, dass es immer Dinge geben wird, die eine persönliche Anwesenheit erfordern.

Frage des Moderators: Gibt es Prozessbereiche bei einem Partner, bei denen Sie besorgt wären, diese allein nur per Video oder anhand Dokumentationen zu validieren?

Patrick Girten: Distribution ist anders als GMP. Für Verteilerzentren gibt es Variablen wie: Lagern sie Nicht-Pharma-Produkte, sind sie ein Cross-Dock? Eines der Dinge, die ich virtuell nicht wahrnehmen kann, ist der Geruch. Bei einem Cross-Dock riecht man beispielsweise sofort, wenn ein Generator Öl oder Gas ausstösst, was darauf hinweisen könnte, dass etwas undicht ist. Bei einem virtuellen Audit könnten solche Dinge mit Fragen abgehandelt werden, wie «Welche Produkte werden an Ihrem Standort eingesetzt?» oder «Welche Massnahmen haben Sie zur Bekämpfung von Lecks definiert?».

Wie wir zuvor besprochen haben, muss man das immer wieder aufs Neue durchdenken. Nur weil es auf dem Papier gut klingt, bedeutet das noch lange nicht, dass es auch funktioniert. Fragen Sie sich deshalb immer: «Wenn ich dort vor Ort wäre, was würde ich fühlen, riechen oder berühren?» Wie kann ich dasselbe Erlebnis virtuell erzielen?»

Mike Hollweck: Es ist genauso, wie Patrick Girten sagte... wenn ich nicht in der Lage bin, in ein Verteilerzentrum zu gehen, wie kann ich dann sehen, ob dort viele Produkte auf dem Boden liegen, ob es nicht sauber genug ist oder ob etwas riecht? Genau das verliert man bei einem «virtuellen Audit».

Wie sehen Sie beispielsweise bei Abweichungen das Batch-Management oder wie sehen Sie die Systemvalidierung der Systeme, wenn sie irgendeine Art von System verwenden? Oder wie können Sie deren Sicherheitsprozesse überprüfen? Klar, Sie können sich ein Dokument ansehen, in dem steht, dass über Nacht alle Türen abgeschlossen werden. Aber machen sie das auch wirklich?

Virtuelle Audits können eine grosse Herausforderung darstellen; ich bin es gewohnt, diese persönliche Interaktion zu haben. Ich bin daran gewöhnt, meine Augen auf etwas zu richten, um es sehen zu können. Nur gesagt zu bekommen, dass jemand den Ort sauber hält, ist nicht das gleiche, wie wenn ich mich selber vor Ort davon überzeugen kann. Ich meine, wenn ich Sie frage «Herr Girten, halten Sie Ihre Lagerhalle immer sauber?» Wie wird die Antwort wohl lauten? Natürlich wird er «Ja» sagen.

    • Empfehlungen für virtuelle Audits

    • Anforderungen ermitteln und dokumentieren

    • Ein Minimum an überprüften Dokumenten festlegen

    • Erstellung einer Prüfungscheckliste für das, was erfasst werden muss

    • Fragen Sie nach bestimmten Dokumenten und Kontrollbereichen. Ein Audit ist eher ein «Ich bitte um Beweise, sie liefern und ich prüfe».

    • Ein virtuelles Audit ist schwierig, weil man kein Gefühl für den Kunden bekommt. Man kann nicht sehen, was ein Problem verursacht, oder einschätzen, in welche Richtung sich das Audit entwickeln wird.

    • Schlagen Sie einen bestimmten Zeitpunkt vor, an dem Sie mit der zu auditierenden Stelle sprechen, damit Sie ein Gefühl dafür bekommen und Ihre Fragen beantworten können (stellen Sie es sich wie ein Interview vor).

Bonus Offline-Frage des Moderators: Was hat sich Ihrer Meinung nach in pharmazeutischen Lieferketten aufgrund COVID-19 für immer verändert?

Patrick Girten: Menschen sind Gewohnheitstiere. Unser Gedächtnis ist kurz, die Notizbücher knapp, Prozesse haben sich über Jahre hinweg entwickelt, Veränderungen sind schwierig und Unternehmen werden aufgebaut, um ein gewisses Bedürfnis zu erfüllen. Wenn wir in solchen Zeiten effizientere Wege finden, etwas zu tun, oder Lücken erkennen, die nur eine weltweite Pandemie aufdecken kann, dann wird sich einiges ändern. Aber im Grossen und Ganzen denke ich, werden die Dinge wieder so sein, wie vorher. Da jede Branche anders ist, wird das gemeinsame Learning darin bestehen, dass wir uns für Entscheidungsfindungen nun alle eine weitere Frage stellen müssen. Und zwar: «Was wäre, wenn?» Das könnte zu weniger Reisen und vermehrtem Einsatz unterschiedlicher Technologien führen. Allerdings gibt es immer auch ein ABER. Was sind die unbeabsichtigten Folgen einer Änderung etablierter Prozesse? Wenn ein Unternehmen vorher ausgeglichen war, sollten Sie es sich gut überlegen, bevor Sie schwerwiegende Entscheidungen treffen. Ich wohne auf dem Land und bin es gewohnt, die Schlangen irgendwie loszuwerden. Allerdings habe ich jetzt viele Mäuse, die meine Kabel durchkauen und so mein Haus in Brand stecken könnten (was beinahe passiert wäre). Ich habe nur das eine Problem mit den Schlangen gesehen und nicht bedacht, was es für Folgen haben könnte. So habe ich das Gleichgewicht der Natur gestört. Ich hoffe, wir machen uns nicht vor, dass all die bis anhin bewährten Prozesse nun durch Neue ersetzt werden müssen, nur weil das Unternehmen einige neue Abläufe beibehalten hat.

Mike Hollweck: Ich sehe robustere Lieferketten und alternative Routen für den Fall, dass eine Route plötzlich wegfällt. Sobald wir die neuen Routen bewertet haben, können diese in Zukunft in Krisensituationen genutzt werden – ich denke, die Auswirkungen auf bestimmte Bereiche wie die Fluggesellschaften werden enorm sein. Das wird zu einem geringeren Service und höheren Kosten führen. Ich glaube auch, dass sich das Modell der Verteilerzentren ziemlich gut bewährt hat. Aber auch das wird untersucht werden, um zu sehen, wie sich Ausbrüche an den Standorten verhindern lassen. Ich denke, es gab mehr betroffene Standorte, als die Leute meinen, und das könnte in naher Zukunft herauskommen.

Über die Autoren: 

Patrick Girten, Manager, Quality Distribution US/PR bei Bristol Myers Squibb. Patrick arbeitet seit 10 Jahren bei Bristol-Myers Squibb in den Bereichen Fertigung und QA-Compliance. Die letzten 10 Jahre als Manager des Verteilerzentrums QS US/PR. In seiner Position ist er dafür verantwortlich, die Einhaltung der Konformität bei der Lagerung, dem Transport sowie der Verteilung von pharmazeutischen Arzneimittelprodukten, sicherzustellen. Er überprüft/genehmigt HQ-Impact-Assessments, globale Verpackungstechnologien und Logistik-Verpackungsbeurteilungen, Qualifizierungen/Protokolle für Bahn- und Thermopackungen, Qualitätsvereinbarungen, SOPs, Änderungskontrollen sowie Temperaturabweichungen. Patrick hat einen BS in Luftfahrttechnik von Purdue und einen AS in Luftfahrtwartung. Er ist ausserdem freiwilliger Feuerwehrmann, Rettungstaucher, NASCAR-Grubenfeuerwehrmann und Dock-Taucher für Wasserflugzeuge. Patrick ist in Mount Vernom, Indiana (USA) zu Hause.

Michael Hollweck, Senior Manager QA Logistics Americas Celgene. Derzeit ist er für Bristol Myers Squibb (Celgene) als QS für die Logistik in Nord- und Südamerika tätig. Celgene ist ein pharmazeutischer Hersteller mit einem globalen Vertriebsnetz. Die wichtigsten internen Produktionsstätten sind in der Schweiz, den USA (Arizona) und arbeiten mit externen Herstellern weltweit zusammen (China, Deutschland, USA). Die aktuellen Produktlinien umfassen mehrere Anforderungen an die Versandtemperatur (CRT, +2 °C bis +8 °C, -20 °C, -70 °C) und beziehen die Produkte während des gesamten Produktlebenszyklus ein (DS, DP). Herr Hollweck sammelte Erfahrungen bezüglich Vertriebsqualität in mehreren Unternehmen (J&J, Celgene, BMS) und mit mehreren Produkttypen (Pharma, Medizingeräte, Verbraucher). Er lebt in Rockaway, New Yersey (USA).

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