Patientenzentrierte Lieferketten: Herausforderungen, Chancen und Innovationen (2025 Update)
Patientenzentrierte Ansätze gewinnen in der biopharmazeutischen Industrie rasant an Bedeutung, insbesondere in der Zell- und Gentherapie. Da viele Therapien speziell für einen Patienten entwickelt werden, stehen Lieferketten unter dem Druck, Effizienz, Sicherheit und individualisierte Versorgung in Einklang zu bringen.
Während einer Podiumsdiskussion im Rahmen eines Leading Minds Network Seminars in Boston gaben Führungskräfte mit Bezug zur biopharmazeutischen Lieferkette einen Einblick hinter die Kulissen. Was sind Herausforderungen, Innovationen und Lernerfahrungen beim Aufbau patientenzentrierter Lieferketten? Teilnehmende waren: Craig Vermeyen (Kite, ein Unternehmen von Gilead), K. Nicole Harter (Eli Lilly), Michael Sweeney (QuickSTAT, ein Unternehmen von Kuehne+Nagel) sowie der Branchenveteran Geoff Glauser.
Was versteht man unter einer patientenzentrierten Lieferkette?
Einfach ausgedrückt: Ein patientenzentriertes Lieferkettenmodell ist um den Patienten herum aufgebaut, mit hochgradig personalisierter Logistik wie beispielsweise «Lot-Size-One»-Herstellung, Track & Trace einer jeden Ampulle und der Lieferung nach Hause.
Craig Vermeyen (Kite): «Als Zelltherapieunternehmen betreibt Kite eine geschlossene Lieferkette für körpereigene Zellprodukte. Wir nehmen das Blut eines Patienten entgegen und senden das Produkt direkt an denselben Patienten zurück – ein Los, ein Patient. Wir sind sehr patientenzentriert.»
Was ist eine «Closed-Loop-Lieferkette» in der Zell- und Gentherapien?
In einem «Closed-Loop»-System baut der Hersteller eine direkte Beziehung zum Krankenhaus und zum Patienten auf. Krankenhäuser werden mit den Verpackungs- und Handhabungsanforderungen der Therapie vertraut und können Feedback geben.
«Diese Nähe ermöglicht eine kontinuierliche Verbesserung von Verpackung, Schulung und Versandprozessen.»
Craig Vermeyen, Kite
Vermeyen wies jedoch darauf hin, dass jeder Fehler, seien es Verzögerungen, Temperaturabweichungen oder Verluste, schwerwiegende Folgen hätte, da die Therapie patientenspezifisch sei. «Es muss ein Gleichgewicht zwischen Komplexität und Effizienz geben», sagte er.
Ein weiterer Diskussionsteilnehmer beschrieb die Bandbreite patientenzentrierter Ansätze und verwies auf klinische Studien, die von grossen Blockbuster-Studien mit Tausenden von Patienten in mehreren Ländern reichten, bis hin zu einer aktuellen Studie zu einem Gen, das Taubheit heile. «Wir sprechen hier von einigen Dutzenden von Patienten, nicht einmal von Hunderten. Es gibt also Therapien, die zwingend patientenzentriert sind, wie diese Gentherapie, und andere, bei denen das weniger offensichtlich ist.»
«Ich bin seit über 30 Jahren in dieser Branche und habe es noch nie so verrückt erlebt wie heute.» fügte ein Diskussionsteilnehmer hinzu. Gleichzeitig sei es besonders erfüllend, in einer patientenzentrierten Rolle zu arbeiten, die eine direkte Einbindung in Direct-to-Patient-Services sowie Zell- und Gentherapie ermögliche.
Hyper-Care und digitale Innovation
Gentherapien, so ein Diskussionsteilnehmer, müssten sehr streng gehandhabt werden. Kosten seien in diesem Stadium zweitrangig – entscheidend sei, dass die Therapie genau dann und dort ankomme, wo sie für den nächsten Schritt in einer klinischen Studie benötigt würde.
Die Branche untersucht bereits Optionen der nächsten Generation, wie intelligente Etiketten für Ampullen, die sowohl Temperatur als auch Standort verfolgen, um die Lieferung an das vorgesehene Krankenhaus zu belegen.
Weshalb ist bei Zell- und Gentherapien das Tracking einer jeden Ampulle notwendig?
Jede einzelne Ampulle zu verfolgen ist wichtig, da Zell- und Gentherapien häufig sehr empfindlich und für einen ganz bestimmten Patienten bestimmt sind. Real-Time-Transparenz stellt eine sichere, korrekte Lieferung sicher.
Vermeyen beschrieb, wie Kite Daten zur Steigerung der operativen Effizienz nutzt: «Wir versuchen stets, noch bessere Wege zu finden, um Daten zu aggregieren, mit unterschiedlichen Anbietern für die Umgebungsüberwachung zu arbeiten und diese in unsere internen Systeme zu integrieren, um so automatisierte Trendanalysen durchführen zu können.
«Langfristig wollen wir, dass weniger Menschen manuelle Arbeit leisten müssen, während wir die Produktion skalieren und die Patientensicherheit gewährleisten.»
Craig Vermeyen, Kite
Die Integration bleibt jedoch eine Herausforderung: «Die meisten Schnittstellen (API) erfordern viel Aufwand bei der Einrichtung. Viele der Anbieter haben noch keine Vorarbeit geleistet. Es kann sechs Monate dauern, nur um einen Vertrag aufzusetzen», erklärte Vermeyen. «Ich möchte, dass jemand zu mir kommt, das System einrichtet und aggregierte Daten liefert. Diese Infrastruktur existiert so noch nicht.»
Ein weiterer Diskussionsteilnehmer stimmte zu und verwies auf internen Widerstand. Teams seien an ihre bestehenden Software- und Temperaturüberwachungstools gewöhnt. Sollten neue Optionen für klinische Studien oder die Skalierung in die Produktion eingeführt werden, stösse man auf Widerstand. Selbst wenn es nur um geringe Mehrkosten pro Ampulle ginge und dies die Datenqualität verbessern würden.
Ein Podiumsmitglied hob Skalierbarkeit als zentrale Herausforderung hervor und merkte an, dass Krankenhäuser nicht immer über das notwendige Personal verfügten, um diese Prozesse zu managen. Obwohl Telemedizin und pflegerische Unterstützung helfen könnten, gäbe es weiterhin grosses Potenzial, die Patientenerfahrung durch stärkere Zusammenarbeit in der Branche zu verbessern.
Bedeutung von Standardisierung
Alle Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass Standardisierung entscheidend sei. Vermeyen hob die Realitäten in der Lieferkette hervor: «Es gibt einen Bedarf, Daten zu aggregieren. Wir sind bereit, für eine Lösung zu zahlen – jemand sollte dieses Problem lösen.»
Es wurde darauf hingewiesen, dass sich die Technologie zu schnell entwickle, als dass sich Stakeholder sechs Jahre Zeit nehmen könnten, um ein neues ERP-System einzuführen. Die Notwendigkeit, dringend zusammenzuarbeiten und Best Practices zu teilen, wurde betont.
Wie können Verpackungen patientenzentrierter gestaltet werden?
Die heutige biopharmazeutische Verpackung kann patientenzentrierter gestaltet werden, indem Benutzerfreundlichkeit (leicht zu öffnen), Klarheit (intuitive Anleitungen) und Sicherheit (Temperaturindikatoren) priorisiert werden – insbesondere bei der Lieferung nach Hause.
Ein Diskussionsteilnehmer teilte ein eindrückliches Beispiel aus der Direct-to-Patient-Erfahrung:
«Bei einem Medikament hatten Patienten Schwierigkeiten, das Gerät zu benutzen. Wir mussten es neugestalten. Wenn Sie an die Patienten zuhause liefern, müssen Sie dafür sorgen, dass die Verpackung leicht zu öffnen ist. Sind die Anweisungen klar? Der erste Kontakt eines Patienten mit Ihrem Unternehmen erfolgt oft über die Verpackung.»
Alle waren sich einig, dass Skalierbarkeit berücksichtigt werden müsse: «Krankenhäuser werden nicht immer Personal haben, um dies zu managen. Telemedizin und Pflegeinterventionen können helfen, aber es gibt grosse Chancen, die Patientenerfahrung zu verbessern, wenn wir gemeinsam zusammenarbeiten.»
Vermeyen merkte an, dass die Closed-Loop-Lieferkette von Kite direktes Feedback vom Krankenhauspersonal ermögliche: «Die Mitarbeitenden im Zelllabor werden mit unserem Prozess vertraut. Wir können die Sekundärverpackung optimieren und auf Produktreklamationen reagieren. Schulungen sind produktspezifisch, aber es gibt grosse Unterschiede zwischen Studien und Produkten, was die Notwendigkeit standardisierter Protokolle unterstreicht.»
Intervention und Lieferkettenmanagement
Geoff Glauser, ein erfahrener Manager aus der Pharmabranche, stellte eine Frage zu Interventionen: «Wenn etwas schiefläuft – sei es mit einer Palette am Flughafen oder bei der Versorgung eines einzelnen Patienten – können Sie rechtzeitig reagieren? Das ist bei Zell- und Gentherapien kritischer als bei Massenproduktion.»
Ein Diskussionsteilnehmer merkte an, dass mehrere Spediteure gemanagt werden können, dies jedoch aktive Eingriffe erfordere. Es bestehe weiterhin die Notwendigkeit, Abhol- und Lieferzeiten zu überwachen und sicherzustellen, dass Sendungen korrekt gehandhabt würden.
Es wurde auch festgestellt, dass es für Hochrisiko- und Niedrigvolumen-Therapien am besten sei, sich auf ein einziges, vertrauenswürdiges Logistikunternehmen zu verlassen. Für kommerzielle Produkte oder grössere klinische Studien bestehe hingegen mehr Flexibilität, mehrere Spediteure einzusetzen. Skalierbarkeit erfordert die Zusammenarbeit mit mehreren Logistikpartnern sowie die Aggregation von Daten, um von reaktivem zu proaktivem Lieferkettenmanagement überzugehen.
Sicherheit und Effizienz optimieren
Glauser fasste die wichtigsten Punkte zusammen: «Optimierung kann auf Prozessgeschwindigkeit, Systemhandhabung oder potenzielle Unterbrechungen abzielen. Bei Zelltherapien hat die Vermeidung des Verlusts einer einzelnen Probe oberste Priorität. Geschwindigkeit ist zweitrangig, da die Patientenzuordnung und Diagnostik Wochen dauern kann. Die Systemoptimierung ist ein fortlaufender Prozess, aber Sicherheit steht an erster Stelle.»
Fazit
Die Diskussionsteilnehmer machten deutlich, dass patientenzentrierte Lieferketten in der Zell- und Gentherapie komplex, risikobehaftet und in ständiger Entwicklung sind. Lösungen erfordern:
- Datenintegration zur Ermöglichung von Real-Time-Überwachung
- Standardisierung von Verpackung, Überwachung und Protokollen
- Hyper-Care-Ansätze für Einzelpatiententherapien
- Zusammenarbeit zwischen Anbietern, Krankenhäusern und Lieferanten
Letztlich zeigte sich, dass patientenzentrierte Lieferketten ein sorgfältiges Gleichgewicht zwischen fortschrittlicher Technologie, zuverlässiger Logistik und echter menschlicher Fürsorge erfordern. Die Teilnehmenden betonten, dass die Lösung dieser Herausforderungen eine grosse geschäftliche Chance darstellt und dass der erste Kontakt eines Patienten mit einem Unternehmen häufig über die Verpackung erfolgt – was die Bedeutung eines durchdachten Designs unterstreicht. Zudem wurde hervorgehoben, dass schnelle technologische Fortschritte und patientengetriebene Innovationen ihr volles Potenzial nur durch branchenweite Zusammenarbeit und praktikable, skalierbare Lösungen entfalten können.

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